Beginnen wir mit einem Blick in die Historie: Die wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik und insbesondere ihrer Industrie basierte über Jahrzehnte hinweg auf einem hohen Produktivitätswachstum. Der Zwang zu immer weiteren Produktivitätsgewinnen ergab sich unter anderem aus der latenten Stärke der D-Mark, die ihrerseits Ergebnis einer strikt stabilitätsorientierten Geldpolitik der Bundesbank war. Für die exportorientierten Unternehmen verschlechterte sich dadurch mehr oder weniger kontinuierlich ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Dem konnten sie nur durch fortgesetzte Produktivitätssteigerungen und Innovationen entgegenwirken. Die meisten Unternehmen nahmen diese Herausforderung an und bewältigten sie erfolgreich. Dass die Politik im Großen und Ganzen für adäquate Rahmenbedingungen sorgte, war für den gesamtwirtschaftlichen Erfolg eine notwendige Bedingung.
Der Deal über die künftigen Zölle im Handel zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) benachteiligt einseitig die Unternehmen in der EU. Während ihre US-amerikanischen Konkurrenten ihre Produkte künftig zollfrei in die EU einführen dürfen, verteuern sich umgekehrt die Exporte aus der EU in die USA, in der Regel um 15 Prozent. Es ist wahrscheinlich richtig, dass die EU-Kommission keine Möglichkeit hatte, eine bessere Vereinbarung zu erreichen. Daher werden sich die Unternehmen damit arrangieren müssen. Manche von ihnen werden verstärkt in den USA Produktionskapazitäten aufbauen, in vielen Fällen wird das aber kein gangbarer Weg sein. Die Verteidigung von Marktanteilen auf dem wichtigen US-amerikanischen Markt setzt deshalb Produktivitätsgewinne voraus, mit denen der preisliche Wettbewerbsnachteil aus dem Zolldeal möglichst kompensiert wird.
Das ist, wie eingangs beschrieben, keineswegs ein aussichtsloses Unterfangen. Auch mit Blick auf die Rahmenbedingungen kann der Standort Europa auf einige positive Faktoren verweisen: Die gute Ausbildung von Fachkräften und insgesamt ein hohes Bildungsniveau gehören dazu – wer stärker auf den Aufbau von Produktionskapazitäten in den USA selbst setzt, wird davon berichten können. Auch die Infrastruktur ist in vielen Bereichen ein Pluspunkt für Europa. Darüber hinaus könnten politische Stabilität, verlässliche Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit angesichts der erratischen Politik in den USA in stärkerem Maße zu einem Wettbewerbsvorteil Europas werden, als man sich das noch vor wenigen Jahren hätte vorstellen können.
Was eindeutig fehlt: Die Politik muss sich auf das Wesentliche konzentrieren und rasch sowie konsequent handeln. Was getan werden muss, liegt auf dem Tisch – beispielsweise in Form des Draghi-Reports. Tatsächlich lässt sich seit dem Amtsantritt der neuen Kommission durchaus eine grundsätzlich richtige Verschiebung der Prioritäten in Richtung einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit feststellen. Worauf es jetzt aber ankommt, ist Schnelligkeit in der Umsetzung. Ein aktuelles Beispiel: Dass die Europäische Kommission für den nächsten Haushalt der EU entsprechende Vorschläge macht, ist richtig. Wirklich angemessen wäre es aber gewesen, in Trumpscher Manier zu sagen: Wir ändern die Prioritäten nicht erst 2028, sondern jetzt sofort – lasst uns im Herbst dieses Jahres darüber eine Einigung erzielen und den neuen Haushalt im Januar 2026 in Kraft setzen. Das wäre ein klares Statement gewesen, dass man nicht nur die Zeichen der Zeit erkannt hat, sondern auch gewillt und in der Lage ist, entsprechend zu handeln. Wenn der Deal, mit dem sich die EU Trump unterwerfen musste, hier eine veränderte Vorgehensweise bewirkt, könnte die EU langfristig davon profitieren.